Nehmt Abschied Brüder
waren das teilweise nicht. Wir konnten uns in unserem Dialekt gut verständigen. Die, die auftauchten, hatten bereits mit unserer Schriftsprache große Mühe. Der Be- griff „Toleranz“ tauchte auch auf, als das traditionelle gesellschaftliche Leben in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts plötzlich mit der Erscheinung neuer Lebens formen konfrontiert war, bei welchen die klassische Form der Familie Konkurrenz erhielt durch freisinnige Lebensformen und, bei welchen beispielsweise ein Jurist nicht mehr nach seinen gewohnten Gepflogenheiten sprechen und handeln konnte. Oftmals, wenn die For- derung nach Toleranz laut wird, ist eine geistig intensive Auseinandersetzung damit verbunden. Moderne und aufgeklärte Menschen möchten tolerant sein, und kaum jemand möchte intolerant wirken. Der Begriff „Toleranz“ ist voll von Leid. Sich in Toleranz zu üben ist durchaus beschwerlich. Gerade in der letzten Vergangenheit wurde „Toleranz“ häufig eingefordert, was viele Mitmenschen stark herausforderte. Beispiele für gelebte Toleranz der letzten Vergangenheit sind Situationen beim Einkauf, wo Toleranz erwartet wurde, in Bezug auf Abstand halten und Maske tragen, und in Bezug auf Personen vorne in der Reihe, die besonders lange brauchen. Es kann gut sein, dass bedingt durch unsere Pandemiesituation die „Toleranz“ eine neue, zusätzliche Blüte erfährt. Es kann aber auch sein, dass in Zeiten zunehmender Enge auf unserem Planeten von vielen ein größeres Maß an Toleranz abverlangt wird. Toleranz und Vernunft sind beides Haltungen, die jede(r) gerne bei sich sieht. Bei beiden Haltungsformen darf die zu wählende Richtung auch konträr sein. Wir könnten auch intolerant und unvernünftig sein, wenn wir das möchten.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjE2Mzk=